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Hito Steyerl


„Die Realität hat sich erweitert, und ich folge ihr“

Ein Gespräch von Katja Kwastek


Hito Steyerls Videos und Texte bieten scharfsinnige Analysen der gegenwärtigen Gesellschaft. Die Künstlerin beschäftigt sich mit globalen Finanz- und Warenflüssen, mit Arbeitsverhältnissen im Neoliberalismus, und sie übt Institutionskritik, die weit über die Institution des Museums hinausgeht. Sie spürt visuellen Regimen nach und reflektiert die Macht der Bilder, als Medien unserer Weltwahrnehmung und als Träger und Strukturgeber von Informationen.


In Steyerls jüngeren Arbeiten spielen digitale Technologien oft eine zentrale Rolle. Dies gilt nicht nur für deren formale Realisierung, die in zunehmendem Maße auf digitaler Postproduktion beruht, sondern auch hinsichtlich der Themen der Filme. Digitale Informationsflüsse sind in Steyerls Videos aktive Agenten, nicht nur in physikalischen, sondern auch in gesellschaftlichen und sozialen Prozessen.


Trotz des deutlich essayistischen Charakters ihrer Filme, sieht sich Steyerl als Dokumentaristin. Die Realität sei durch digitale Technologien erweitert worden, so Steyerl im folgenden Gespräch, und sie folge ihr. Mit einem sicheren Gefühl für Bildschnitt und Rhythmus schafft die Künstlerin mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit immersive, aber keineswegs bruchlose Montagen aus Computeranimationen, Screenshots, Found Footage aus den Massenmedien, und selbst gedrehten Szenen.


Katja Kwastek: In Deinem Video „How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .MOV File“ (2013) inszenierst Du Transformationen vom Digitalen zum Materiellen, und anders herum. Da gibt es Pixel, denen Du menschliche Eigenschaften zuschreibst oder „Render Ghosts“, die als Personifikationen von marginalisierten Bevölkerungsgruppen dienen. Die Verschmelzung von digitalen Technologien mit unserer materiellen Umwelt ist auch einer der zentralen Aspekte, den der Begriff des Postdigitalen zu beschreiben sucht. Beschreibt das Video eine postdigitale Situation?


Hito Steyerl: Ich versuche alle Begriffe zu vermeiden, die „post-“ dabei stehen haben, weil mir die Bedeutung dieses Präfixes unklar ist.


Die Parallelisierung von digitalen mit gesellschaftlichen Prozessen ist Teil Deiner Praxis. Du arbeitest häufig mit der vergleichenden Gegenüberstellung bestimmter Phänomene oder verschiedener historischer Momente. In Deinem Essay „Is the Museum a Factory“ geht es um den Trend, zeitgenössische Museen in ausgedienten Fabriken einzurichten, im Video „Guards“ (2012) zeigst Du Museumswärter, die Überwachungsstrategien des Militär anwenden, in „Liquidity Inc.“ (2014) dient Wasser als Metapher für das Gebot finanzieller und persönlicher Mobilität. Was interessiert Dich an solchen Übertragungen?


Ich arbeite immer wieder mit Begriffen, die sehr weitläufig sind und viele widersprechende Bedeutungen haben. Freuds Arbeit über den Witz ist in dieser Hinsicht wichtig, weil sie ganz deutlich beschreibt, dass ein Witz niemals nur ein Witz ist. Er beschreibt eine Art Bruchstelle, wo bestimmte Begriffe oder Situationen anfangen auseinander zu klaffen und wo sich gesellschaftliche Spannungen manifestieren. Der Witz ist vielleicht lustig, aber er zeigt immer auch ein Ausrutschen innerhalb der Sprache, er zeigt den Punkt, an dem Sprache nicht mehr zu bändigen ist, ausbricht, nicht mehr genau den Regeln folgt, denen sie folgen soll. Und das interessiert mich an diesen ganzen Homophonien und Gleichklängen, weil das immer Orte sind, an denen feste Bedeutungen zu bröckeln beginnen oder für einen Moment auseinander klaffen. Sprache ist selbst wesentlich schlauer, als jeder, der sie verwendet. Sie kann durch Alliterationen, durch Klänge, durch Aspekte, die sich der reinen Bedeutungsproduktion entziehen, näher an den Dingen dran sein, als man sich das in rationalen Kategorien vorstellt. Es gibt einen magischen Aspekt der Sprache, der mich fasziniert.


Gibt es diesen magischen Aspekt auch in Bildern?


Ja klar, es gibt einen magischen Aspekt an Bildern und das hat sich in den letzten Jahrzehnten noch wesentlich verstärkt. Bilder erzeugen Ereignisse. Sie bringen sie hervor.


In „How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .MOV File“ benutzt Du den Witz aber auch, um zu überzeichnen. Menschen hopsen nicht als Pixel herum …


Einer meiner Mitarbeiter hat mir ein wunderbares Interview gezeigt von einem Menschen in der Ukraine, der über seine Erfahrungen während der Maidan-Proteste sagt: „Ich habe als Pixel gearbeitet, in diesen Unruhen.“ Denn er war quasi ein winziges Bildelement unter vielen, das auf Übertragung hoffte.



Der Witz ist natürlich auch dazu da, um Dinge so zu überzeichnen, dass sie überhaupt erst sichtbar werden. Leute sagen oft, dass ich übertreibe. Ich erinnere mich dann immer wieder an Karl Krauss, der behauptete, er „übertreibe genauso wie ein Mikroskop übertreibt.“ Das ist wie ein Zoom in bestimmte Konstellationen und bestimmte Entwicklungen.


Dieser mikroskopische Blick kommt auch in „How Not to be Seen: A Fucking Didactic Educational .MOV File“ vor, als Mikroskopblick aus dem All. Es besteht ständig die Möglichkeit, dass irgendwelche Satellitenkameras an uns heranzoomen als seien wir ein Pixel.


Im Film erläuterst Du, dass man kleiner sein muss als ein Pixel, damit man von Überwachungssystemen nicht gefunden wird – man muss der Auflösung sozusagen entfliehen.


Ja, man muss sich in die Auflösung retten.


Ich würde diese Idee gerne einem anderen Begriff von Dir gegenüberstellen, dem „poor image“. Dieses „arme Bild“ ist dadurch charakterisiert, dass es gerade nicht besonders gut aufgelöst ist.


Mit dem „armen Bild“ meinte ich einen Typus von Bild, der so um 2007, 2008, 2009 relativ häufig vorkam in den Netzen. Das waren niedrig aufgelöste, mehr oder weniger virale Bilder, denen man ihr Herumreisen deutlich ansah. Die sahen ziemlich runtergerockt aus, als würde kaum noch Substanz von ihnen übrig sein.


Heißt das, es gibt immer noch ein Originalbild, das besser aufgelöst ist?


Ich glaube die Frage des Originals ist eigentlich seit der Erfindung der Fotografie aufgehoben – im Hegelschen Sinne. Das arme Bild verhält sich nicht zum Original sondern zum höher gestellten Bild, zum bestaufgelösten Bild, zum reicheren Bild. Es geht nicht darum, dass das eine echter ist und das andere unechter sondern es geht um Klassenverhältnisse.


Ist dieses „arme Bild“ inzwischen schon eine historisches Phänomen?


Ja, zumindest so wie ich es beschrieben habe, ist es wahrscheinlich schon historisch – die Bandbreite hat sich sehr stark erweitert. Das bedeutet, dass diese Art von armen Bildern heute online kaum mehr vorkommt – aber offline, interessanterweise. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass diese armen Bilder jetzt in der physischen Realität existieren – das sind diese ganzen kleinen Poster und Zettelchen, mit denen Selbständige oder mittelständische Unternehmen verzweifelt versuchen, ihre Sachen anzupreisen. Der öffentliche Raum ist damit vollgepflastert und die Informationen löschen sich sozusagen alle gegenseitig aus und bilden diese Kakophonie von Aussagen, die irgendwie um Einkommen und Aufmerksamkeit ringen. Das fand ich sehr interessant


Ein anderer Begriff, den Du häufig verwendest, ist jener der „Postproduktion“. Im Prinzip geht es dabei auch um ein Weiterwandern von Bildern – dass Bilder mehrfach verwendet und bearbeitet werden und durch die Netze wandern.


Ja und nein. Der Begriff der „Postproduktion“ geht vom traditionellen Schneideraum aus. Früher wurde ein Film im Studio oder am Set gedreht und dann im Schneideraum geschnitten – in der Postproduktion wurde der Ton gemacht, die Titel. Aber er wurde nicht im Schneideraum produziert. Heute werden diese Arbeiten zunehmend generiert. Dort, wo normalerweise nur die Nachbearbeitung stattfinden sollte, passiert jetzt die eigentliche Produktion. Die Produktion hat sich wortwörtlich in Postproduktion verwandelt. Und diese Postproduktion ist wiederum, wie so viele Arbeit heutzutage, verteilt. Das bedeutet, sie kann überall stattfinden, sie kann überall hin outgesourct werden. Sie findet in Schlafzimmern statt und in Küchen und in irgendwelchen Büros auf den Philippinen oder in Indien oder in der Ukraine, wohin digitale Arbeiten jetzt gerne ausgelagert werden.


Um noch einmal auf „How not to be Seen … “ zurück zu kommen. Dort werden Transformationen zwischen Digitalem und Materiellem nicht nur thematisiert, sondern auch in der Produktionsweise eingesetzt …


Ja, das stimmt. Der Film hat drei Komponenten, Greenscreen-Studio, Montage und tatsächlicher Dreh am Set in Kalifornien. Es geht um die Gegenüberstellung von Aufnahmen in der physischen Realität und in virtuellen Versionen.


Das heißt die Arbeit hat also zwei parallele Layer der Vermischung von Digital und Materiell: die Story, aber auch die Produktionsweise selbst?


Ja, und die Postproduktion hat tatsächlich an sehr vielen Orten stattgefunden.


Bei vielen Deiner Arbeiten habe ich den Eindruck, Du portraitierst, wie immer mehr in den vernetzten und digitalen Raum verlagert wird – nicht als virtueller, das heißt als scheinbarer Raum, sondern als real existierender digitaler Raum. Geht es Dir noch darum, unsere Situation in der materiellen Welt zu reflektieren, oder sind es eigentlich diese digitalen Netzwerke, auf die sich dein Fokus richtet?


Ich bin immer noch vom Ansatz her Dokumentaristin, aber die Realität hat sich erweitert, und ich folge ihr. Die Realität findet heute fast überall statt und sie findet zunehmend auch in Form dieser Netzwerke und ihrer Interaktionen und Transaktionen statt. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen einer Realität, die auf dieser Ebene stattfindet und der sogenannten physischen Realität, das ist für mich absolut gleichwertig. Momentan ist es eher so, dass digitale Prozesse massiv die physische Wirklichkeit regieren, algorithmische Prozesse der Steuerung, des Rankings.



Aber du kannst durch diese Folgen neuer Formen der Realität doch mehr Fiktion in Deine Arbeiten bringen als in einen herkömmlichen Dokumentarfilm?


Das lustige ist ja, dass diese Realitäten nicht nahtlos ineinander übergehen, sondern dass an den Bruchstellen immer ganz viel Unfug passiert und sich ganz viele Verwerfungen auftun. Dem zu folgen ist oft unterhaltsam und in vielen Fällen auch tragisch.


Arbeitest du dann auch mit Phänomenen wie dem Glitch, also Dingen, die sich eher zufällig ergeben?


Ja. Die Fehler sind Grundlage der Arbeit. Ohne die Fehler würde die Arbeit nicht existieren. Glitch ist vielleicht ein bisschen zu eng. Es geht nicht nur darum, dass es Ausfälle im Bild gibt. Aber auf metaphorischer Ebene, ja. Eher wie Charlie Chaplin in „Modern Times“ dem fordistischen Produktionsprozess nachgeht. Wenn man sich das als Glitch vorstellt.


Wissenschaftlicher Essay und künstlerisches Video greifen bei Dir manchmal ineinander. Verglichen mit meinen Vorträgen nimmst Du Dir mehr Freiheit heraus, in künstlerischen Bildern zu sprechen.


Ja, absolut. Es gibt bestimmte Regeln der Wissenschaft, die auf der einen Seite sehr hilfreich sind, aber auf der anderen Seite auch Denkbarrieren darstellen. Und die pure Spekulation oder das Fabulieren – Mittel, deren ich mich hemmungslos bediene – schlagen manchmal ungeahnte Schneisen von einem Bereich zum nächsten – zwischen verschiedenen Disziplinen oder Traditionen, aber auch sehr oft zwischen völlig voneinander getrennten geographischen Regionen. Ich glaube dass man das zusammendenken muss, was nicht zusammengehört, weil das heute die Realität ist. Und da braucht es erweiterte Verfahren.


Welche Rolle spielt die Musik in Deiner Arbeit?


Eine große. Sprache ist bei mir oft eigentlich auch nur eine Unterart von Musik und ich verwende auch oft Sprache als Musik, weil Musik der reine Ausdruck dessen ist, was mich an Sprache fasziniert, ihre Rhythmik und ihre Nähe zu bestimmten Prozessen. Die Musik ist öfter näher an bestimmten Entwicklungen – oder Gefühlen, oder Affekten – als Sprache das jemals sein könnte. Sprache ist sozusagen eine weniger mächtige Unterform von Musik.


Ist Musik auch näher an technologischen Prozessen dran?


Ja. Nicht, dass Sprache nicht nah dran wäre – Schreiben ist für die meisten Leute absolut technologisiert, aber Musik war wahrscheinlich schon nahe an digitalen Produktionsweisen bevor es diese gab: Vorgänge der Wiederholung, des Samplings, des Wiederaufnehmens von bestimmten Rhythmen oder Melodien, die dann irgendwohin weiterwandern. Insofern glaube ich, dass sich digitale Produktion wahrscheinlich eher mit musikalischen Begriffen fassen lässt, als mit anderen.


Andererseits könnte man argumentieren, dass Musik etwas Urmenschliches ist, was man eigentlich erst einmal gar nicht mit der Logik digitaler Systeme in Verbindung bringen würde?


Ja, Begriffe wie „Sampling“ oder „Loop“ sind zwar neuere Begriffe, die elektronische Produktionsweisen beschreiben, aber die zugrundeliegenden Konzepte haben in der Musikproduktion schon immer eine zentrale Rolle gespielt – noch bevor man auf diese Begriffe gekommen ist. Tatsächlich gab es ja Musik auch schon vor Menschen: wenn man Vogel-oder Wal- oder Delphinsprachen mitzählt.


Was interessiert Dich an der mit dem Begriff des Anthropozän bezeichneten Idee, dass wir in einer neuen Epoche der Naturgeschichte leben, in der der Mensch unsere Erde bleibend beeinflusst?


Einige Leute – und ich halte diesen Gedankengang für sehr inspirierend – sind auf die Idee gekommen, dass diese Epoche schon fast wieder vorbei ist, weil wir sozusagen an der Schwelle stehen zu einer Epoche, in der Menschen Entscheidungsgewalt abgeben an autonome Systeme: autonome Waffensysteme, Algorithmen, Vorhersagemaschinen, Versicherungssysteme. Der Mensch hat fast schon unbewusst unsere gesamte Umgebung beherrscht und dominiert, aber vielleicht klingt diese Epoche schon wieder ab. Und jetzt kommen ganz andere Prozesse, Zusammenspiele aus chaotischen Systemen, in denen die beeinflusste Natur zurückschlägt, im Zusammenspiel mit technologischen und wirtschaftlichen Systemen. Die erste Singularität ist tatsächlich der Kapitalismus, zumindest glauben viele, dass das eine übermenschliche Form von Intelligenz ist, die man einfach machen lassen muss.


Das würde bedeuten, dass wir erst jetzt gerade so richtig in die Zeit des Posthumanismus und der künstlichen Intelligenz einsteigen?


Ich nehme an, dass das der Fall ist. Ich bin da allerdings sehr vorsichtig, denn alle 20 Jahre kommen wieder neue Roboterphantasien auf. Aber ein Bereich, der immer sehr handfest ist, ist die Waffenproduktion. Da kann man tatsächlich deutliche Fortschritte – wenn man das so nennen will – feststellen, was die Entwicklung autonomer Waffensysteme betrifft. Es werden Kugeln entwickelt, die immer ihr Ziel finden. Das ist interessant, weil diese Technologie in engem Zusammenspiel mit Postproduktionssoftware entwickelt wurde. Es ist sehr wichtig, in der Postproduktion Objekten zu folgen. Dafür muss man sie erst einmal unterscheiden können von all den anderen Pixeln. Erst dann kann man beispielsweise Kamerafahrten definieren. Diese Technologie kommt aus dem militärischen Bereich. Sensoren zeichnen zunächst etwas auf, dann muss festgestellt werdenen, was in diesem Datenhaufen das Ziel ist. Der nächste Schritt ist, dem Ziel automatisch zu folgen, um es zu treffen. Diese selbstzielenden Kugeln, die jetzt gerade entwickelt werden, sind enge Verwandte der Tracking-Technologien, mit denen ich meine Filme mache.


… wobei die Parallelität von Aufnahmetechnologien und Schusswaffen ja eine lange Geschichte hat.



Aber was es bis jetzt noch nicht gab, sind Web-Apps, die Filme schneiden können – das ist sehr interessant. Da lädt man fünf oder sieben Minuten Material hinauf und über Nacht schneidet ein Algorithmus einen Film daraus. Ich war total entsetzt und erstaunt, wie gut ein Bilderkennungsalgorithmus identifizieren kann, welche Dynamiken in Bildern vorhanden sind.



Es gab schon immer den Gleichklang zwischen Bildproduktionstechnologien und militärischen Systemen, aber der Aspekt der Autonomie, dass diese Systeme jetzt theoretisch selber entscheiden, welchen Film sie schneiden oder welches Objekt sie erlegen, das ist relativ neu, glaube ich. Und sobald diese Systeme autonomer werden, ist das Anthropozän auch schon wieder beendet.


Das würde dann auch bedeuten, dass sich diese Autonomie nicht nur auf Klimawandel oder Kriegführung auswirkt, sondern auch auf die kulturelle Produktion.


Ja, es ist doch jetzt schon oft so, dass Menschen als schlechtere Roboter angestellt werden. In Systemen wie Amazon Mechanical Turk beschlagworten Menschen für 0,1 Cent irgendwelche Bilder, weil Maschinen das gerade noch nicht so gut können. Das heißt, dass Menschen eigentlich die Arbeit von Maschinen machen.


Worum geht es in der Arbeit „Factory of the Sun“ (2015), die Du im deutschen Pavillon auf der vergangenen Biennale von Venedig gezeigt hast?


Das ist ein Einkanalvideo, in dem es um mehrere Dinge geht. Unter anderem um ein erfundenes Computerspiel, das eine der Protagonistinnen angeblich programmiert – ein Spiel, bei dem man nicht mitspielen kann und das außerdem die Realität ist, weil sie nicht genug Geld hat, diese ganzen Environments zu programmieren. Das ist der eine Strang.


Ein anderer Strang ist ein biographisch-dokumentarischer Abschnitt über diese Programmiererin und ihren Bruder, der ein YouTube-Star ist. Er zeichnet auf, wenn er in seinem Schlafzimmer tanzt. Er hat eine unglaubliche globale Fangemeinde – er tanzt aber auch besser als Nurejew. Seine Videos erzielen bis zu 24 Millionen Klicks, das ist wirklich unglaublich.


Eines der Elemente, das ich in den Film aufgenommen habe, ist der Umstand, dass seine Bewegungen von Fans gecaptured und auf Avatare umgelegt werden. Es gibt jetzt eine ganze Armee von Game-, Animé- und sonstigen Avataren, die seine Bewegungen angenommen haben, das heißt er tanzt in unzähligen Personen online.


Ein weiterer Strang des Videos ist das imaginäre Computerspiel selbst, in dem es darum geht, dass eine Gruppe von Bots versuchen muss, aus einem Motion-Capture-Studio wegzulaufen. Das ist so eine Art Straflager, in dem alle Bewegungen und jegliche Aktivität von großen Konzernen gekapert und in Sonnenlicht umgewandelt werden. Und die Deutsche Bank hat einen Forschungscampus, wo sie versuchen, die Lichtgeschwindigkeit zu erhöhen, damit sie schneller online handeln können.


Ist die Lichtmetapher in diesem Video das verbindende Element der verschiedenen Stränge?


Ja, Licht wird als Währung gehandelt. Alles ist auf einem Zitat von Donna Harraway aufgebaut, das lautet verkürzt „Our machines are made of pure sunlight.“ – An anderer Stelle heißt es noch, dass Licht Unterhaltung ist und menschlicher Schmerz.


Menschlicher Schmerz?


In meinem Video ist das ganz konkret dadurch umgesetzt, dass Drohnen mit Lasern auf Leute schießen. Und Licht als Währung, als Goldstandard der gegenwärtigen Datenzirkulation – jegliche Information wird als Licht codiert und durch Glasfaserkabel gejagt – ist natürlich auch Träger extremer Ausbeutung und Unterdrückung, wenn man das so sieht. Es gibt so etwas wie eine Klassengesellschaft oder teilweise eine Diktatur des Lichts.

Pure magic...
More magic...
Other magic...
When the public becomes private...